Inspiration: Predigt zum Osterfest aus dem Jahr 2006

Inspiration: Predigt zum Osterfest aus dem Jahr 2006

Inspiration: Predigt zum Osterfest aus dem Jahr 2006

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Inspiration: Predigt zum Osterfest aus dem Jahr 2006

Robert Schelander ist Professor an der evangelisch-theologischen Fakultät in Wien und Vorstand des Instituts für Religionspädagogik. 2006 hat er am Ostersonntag (16. April 2006) eine Predigt zum 1. Samuel 2,1-2.6–8, gehalten. Sie diente Pfarrer Thomas Müller für seine Osterpredigt als Inspirationsquelle. Pfarrerinnen und Pfarrer verwenden oft Predigten anderer Geistlicher als Inspiration. Das hilft, verschiedene Ansichten zu hören und sich mit dem Text tiefer auseinanderzusetzen.


Predigt: Osterfreude

I. Die Osterfreude hat es schwer. Das Geschehen um Weihnachten liegt uns Menschen in seiner sinnlichen Dimension näher als das Osterfest

Liebe Gemeinde,

… die Zeit vergeht so schnell. Jedenfalls erscheint es mir so. Gerade haben wir uns noch „Frohe Weihnachten“ gewünscht und jetzt „Frohe Ostern“. Beide Feste sollen und wollen uns also froh machen. Wenn man Menschen fragt, worüber Sie sich denn freuen, so werden sie vermutlich antworten: auf ein paar freie Tage, Zeit für die Familie und Freunde, gemeinsames Feiern. Manche werden auch die Bräuche erwähnen: den Weihnachtsbaum, die Krippe und die Lichter oder das Erwachen der Natur zu Ostern, vielleicht auch Osterei und Osterhasen aus Schokolade.

Die Wünsche wollen aber mehr sagen: Wir sollen uns über etwas freuen, was da geschehen ist, etwas was Gott getan hat.

Wir sollen und können uns freuen, weil Christus geboren wurde und wir können und sollen uns freuen weil Christus den Tod besiegt hat und auferstanden ist. Deshalb hat man sich zu früheren Zeiten am Ostermorgen auch mit folgendem Satz begrüßt: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“

Ich glaube, dass viele Menschen sich mit der Weihnachtsfreude leichter tun. Die Symbole und Bräuche des Weihnachtsfestes vermitteln Wärme und Geborgenheit und das Thema Geburt ist eine Erfahrung, die viele Menschen unmittelbar positiv anspricht.

Mit der Osterfreude ist es schwieriger. Die Freude über Osterhasen und Osterei lässt sich nicht so leicht mit dem christlichen Sinn des Osterfestes verbinden. Das Thema Tod ist fast immer eine sehr belastende und schmerzliche Erfahrung für uns und mit der Auferstehung, haben wir gar keine Erfahrungen, sie ist selbst schwer zu begreifen.

II. Das Loblied der Hanna als Hinführung zu begreifbarer (Oster)Freude

Liebe Gemeinde,

Unser heutiger Predigttext hat mit Freude zu tun, unbändiger Freude über die Geburt eines Kindes, er soll uns heute leiten um die Osterfreude besser zu verstehen und zu begreifen. Schön wäre es, wenn wir jedes Mal, wenn uns jemand „Frohe Ostern“ wünscht, etwas von dieser Freude spüren könnten.

[Lesung des Predigttextes 

1. Samuel 2, 1 – 2 + 6 – 8 Lobgesang der Hanna (Luther 1984)]

Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils.

Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.

...

Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf.

Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht.

Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.

Liebe Gemeinde,

Wir hören hier eine Frau jubeln. Sie singt, lobt und dankt Gott. Hanna hat ein Kind bekommen! Ein lang ersehntes Kind wird geboren und Hanna nennt es Samuel. Samuel, das heißt „der von Gott Erbetene“. Dieser Samuel wird später eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Königtums in Israel, also der Könige Saul und David, spielen. Zwei Bücher der Bibel sind nach ihm benannt. Aber erzählen wir ein wenig von der Geschichte seiner Mutter Hanna:

Hanna ist eine von zwei Frauen des Mannes Elkana. Er liebt sie und sie ihn. Doch etwas bedrückt sie: ihre Ehe ist kinderlos geblieben. Eine Belastung, auch für ihre Beziehung. Und jetzt das Kind … wir können die Freude verstehen und vielleicht auch nachfühlen.

Liebe Gemeinde, ich denke, wir müssen uns aber deutlich machen, dass Kinderlosigkeit in jener Zeit, in der Hanna und Elkana lebten, also vor ca. 3000 Jahren, eine ungleich schwierigere Erfahrung und ein anderes Schicksal war, als es heute meist ist. Für eine Frau war es wichtig, Kinder zu bekommen, denn dies war die Voraussetzung für ihre soziale Stellung. Dies gilt heutzutage jedenfalls nicht mehr in gleicher Weise. Wir leben in einer Gesellschaft, wo ein nicht unbedeutender Teil der Frauen und Partnerschaften bewusst auf Kinder verzichtet. Dennoch können wir erahnen, was Kinderlosigkeit in der damaligen Zeit bedeutet hat, in einer Gesellschaft, die den Wert einer Frau an der Zahl der Söhne, die sie geboren hat, gemessen hat. Dies ist Gott sei Dank heute anders. Aber auch heute kann die Klage über Kinderlosigkeit auf tiefe Wunden und Verzweiflung hinweisen. Wenn wir auf der anderen Seite erleben, wie immer mehr Paare in freier Wahl kinderlos bleiben und Kinder geradezu als Hindernisse für ein erfülltes Leben gesehen werden, so lasst uns das nicht vorschnell verurteilen und Hanna gewissermaßen als Vorbild einer aufopferungsbereiten Mutter preisen. Jemand, der das Ideal des Mutterseins hochhält.

Erzählen wir weiter von ihr: Elkana, ihr Mann, hat mit seiner anderen Frau Peninna Kinder. Wiederum können wir den Schmerz und die Enttäuschung von Hanna nachspüren. Hanna kränkt sich, zumal Peninna mit Stolz ihre Überlegenheit gegenüber Hanna zum Ausdruck bringt.

Wir müssen jedoch genau hinhören und hinschauen, um dies nicht falsch zu verstehen. Da ist Konkurrenz. Hannas Mann Elkana hat mit einer andere Frau Kinder. Aber es geht Hanna nicht um die Untreue ihres Mannes. Im Gegenteil. Uns wird berichtet, dass Elkana Hanna versucht zu trösten: „Es macht mir nichts, dass du keine Kinder bekommst“, sagt er. „Bin ich dir nicht mehr wert als 10 Söhne?“

Ich meine, es geht Hanna im Grunde nicht darum, dass ihr hier Ungerechtigkeit angetan wird, wenn sie von ihrer Rivalin verspottet wird. Vermutlich befürchtet Hanna, dass ihre Widersacherin Recht haben könnte. Und das Mitleid ihres Mannes macht ihre Lage nur noch schlimmer.

Hanna stand vor keiner Entscheidung, wie wir es heute vielleicht tun, und sie empfand Muttersein wohl anders, als wir es heute sehen. Sie wird ihren Sohn mit drei Jahren weggeben, vermutlich ohne schlechtes Gewissen. Wir müssen genau hinhören, um zu verstehen, was Kinderlosigkeit in jenen Tagen vor dreitausend Jahren für Hanna bedeutete, um auch ihre unbändige Freude zu begreifen.

Die Tatsache, als Frau Kinder zu haben oder nicht zu haben, ist eng mit dem Sinn und Zweck des Lebens verknüpft. Ein erfülltes und reiches Leben, ohne Mutter geworden zu sein, war für eine Frau vermutlich nicht denkbar. D.h. für Hanna steht der Sinn ihres Lebens in Frage: Wozu bin ich gut? Wofür lebe ich? Was gibt meinem Leben Sinn? Hanna sehnt sich unendlich danach, Mutter zu sein.

Doch jetzt: Hanna hat ein Kind bekommen! Sie hat Gott gebeten und Gott hat ihr ein Kind geschenkt. Samuel, den von Gott Erbetenen.

Unser Predigttext drückt diese Erleichterung und diese Freude anschaulich aus: Hanna kann wieder aufrecht stehen und geradeaus schauen. „Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn.“

Liebe Gemeinde, wir können diese Freude der Mutter Hanna nachspüren. Auch die Last, die ihr genommen wurde. Es sind weitere Bilder in diesem Lied der Hanna, die es uns leicht machen, diese Veränderung mitzuerleben: Hanna ist nicht mehr stumm, sie kann reden, laut reden, und sie hat einen festen Grund gefunden. „Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.“

Hanna hat ein Kind bekommen! Dies ist nicht die Osterbotschaft, aber um diese Veränderung, wie sie Hanna erlebt hat und um diese Freude geht es heute, geht es auch zu Ostern.

III. Osterfreude ist eine Freude, die dem Tod ins Auge sieht

Christus ist erstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, so lautet die Osterbotschaft. Zu Ostern geht es um mehr als die Erinnerung an glückliche Momente der Errettung, Erleichterung, Versöhnung und Befreiung in unserem Leben.

Liebe Gemeinde,

wenn wir um uns sehen, geht es uns wie Hannah. Wir sehen Menschen, die sterben, getötet werden und Menschen die geboren werden. „Der Herr tötet und macht lebendig“ so singt sie. Politische Gebilde entstehen und vergehen. Wirtschaftimperien kommen und brechen zusammen. „Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt und er erhöht“ lesen wir.

In Hannas Lied überwiegt ein positiver Grundton. Die Bewegung des Kommens und Vergehens ist nicht ausgewogen, da hört man leicht eine bestimmte Bewegung heraus: Gott macht lebendig, Gott macht reich und Gott richtet Menschen auf. Ich denke, wir sollten genau hinhören und auch die andere Seite in diesem Lied hören.

Denn in all dem Kommen und Vergehen gibt es eine menschliche Grunderfahrung, die dieser positiven Tendenz entgegensteht: Am Ende des Lebens steht der Tod. Die Osterfreude ist in ihrem umfassenden Sinn nur zu verstehen und zu begreifen, wenn sie diese Erfahrung mit einschließt. Das ist nicht leicht. Der Evangelist Lukas schreibt selbst von den Aposteln: Manchen von ihnen erschien die Erzählung von Jesu Auferstehung wie ein Geschwätz, ein Märchen … (Lk 24, 11)

Liebe Gemeinde,

wir Christen kommen von der Auferstehung her. Sie macht uns erst zu dem was wir sind: Menschen, die den Tod nicht mehr fürchten müssen. Dies macht Jesu Tod und Auferstehung mit uns. Sie macht uns zu befreiten, erlösten Menschen. Du bist frei und Du auch, Dir ist eine Last genommen und Dir auch. Liebe Gemeinde, Christus ist erstanden, er ist wahrhaftig auferstanden, deshalb können wir leben im Morgen des neuen Tages Gottes.

Aber wie kann man die Freude darüber spüren?

IV Die liturgische Feier der Osternacht als sinnliche Erfahrung der Osterfreude

Liebe Gemeinde, in den christlichen Kirchen hat man versucht, das Ostergeschehen und das, was es mit uns macht, auch spürbar zu machen. Menschen werden aus tiefer dunkler Nacht herausgeführt in einen lichten Morgen. Dazu versammeln sich Menschen in der späten Nacht, um ca. 4 Uhr früh, vor ihrer Kirche. Die Kälte und das Dunkel wird durch ein Feuer, welches vor der Kirche entzündet wird, durchbrochen. Die Wärme und das Licht sind gut zu spüren. Dann beginnt die Feier und jetzt erst geht man hinein in die Kirche, in die dunkle Kirche. Es werden Texte gelesen, Lieder gesungen, Musik gespielt. Schrittweise wird es heller. Langsam wird das dunkle Kirchenschiff erleuchtet. Zuerst nur durch das Licht der Osterkerze, dann das Licht der Kerzen, welche die Menschen in ihrer Hand halten, und welches die gesamte Kirche ausleuchtet. Schließlich erhellt der beginnende Morgen den gesamten Kirchenraum. Der neue Tag – von Gott geschaffen – erfreut uns.

Das Dunkel in der Welt und in uns ist überwunden, dies kann deutlich werden. Die Feier der Osternacht lässt solche Freude auch spüren. Und sie nimmt uns hinein in eine Befreiung, Erleichterung und Erlösung, die größer ist als unser persönliches Schicksal. Liebe Gemeinde, wir leben im Morgen des neuen Tages Gottes.

Frohe Ostern! Amen.

Link: Universität Zürich.

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